35 Jahre nach dem 9. November 1989 - ✒️💭 Als am 9. November die Mauer fiel, war ich knapp drei Monate alt. Ostberlin war weit weg von Nordfriesland. Die bewegenden Bilder tausender Menschen vor dem Brandenburger Tor in dieser Nacht habe ich verpasst. Die elementare Bedeutung dieses historischen Abends und die darauf folgenden Entwicklungen habe ich erst in meiner Schulzeit begonnen zu verstehen - welche Gefühle Millionen von Menschen über das friedliche Ende der Revolution und den Weg zu einem wiedervereinten Deutschland bewegten. Seit 35 Jahren ist die Berliner Mauer nun Geschichte. Sie ist ein zentraler Teil unserer deutschen Geschichte, vor allem aber ein Teil der Geschichten der Menschen auf beiden Seiten der Mauer. Ihre ganz eigenen Geschichten, die sich viele Familien in den „neuen Bundesländern“ bis heute erzählen – mit Verachtung, mit Nostalgie, vor allem aber im Vergleich zur heutigen Zeit und Lebenssituation. Wer wie ich heute 35 Jahre oder jünger ist, kennt nur ein wiedervereinigtes Deutschland. Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft waren für uns immer da, ohne dass tausende mutige Menschen montags in Leipzig, Erfurt und anderen ostdeutschen Städten dafür auf die Straße gehen mussten – oft mit der großen Ungewissheit, wie ein totalitäres Regime darauf reagieren würde. In den vergangenen 35 Jahren sind wir als Land näher zusammengerückt. Jede und jeder auf ihre oder seine Weise, mit der eigenen Geschichte – sei es beruflich, privat, für das Studium oder aus Interesse an Städten wie Görlitz, Stralsund, Heidelberg oder Husum. Dabei sind wir ins Gespräch gekommen, haben neue Freundschaften geschlossen und einander besser zu verstehen gelernt. Doch dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Auch nach 35 Jahren gibt es Menschen in unserem Land, die noch nie einen Fuß in die „neuen“ oder „alten“ Bundesländer gesetzt haben. Das ist ein Versäumnis. Bei den jüngsten Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen spielte die DDR-Vergangenheit – manche sprechen auch von der „Sozialisation“ der dortigen Wählerinnen und Wähler – immer noch eine Rolle. Entscheidend sind heute nicht die Momente der Euphorie rund um den 9. November 1989, sondern das, was in den 35 Jahren danach geschah. Es steht mir nicht zu, die Erfahrungen und Lebensgeschichten dieser Menschen zu bewerten. Die Erlebnisse eines Systemumbruchs, die Arbeit der Treuhand, die negativen Entwicklungen in kleinen und mittleren Städten, der Zwang zu einem Neustart oder die lange Arbeitslosigkeit musste ich nicht durchleben. Aber ich finde, es gehört zur Pflicht einer Bürgerin dieses Landes, die Geschichten zu hören, daraus zu lernen und darüber zu sprechen. Das starke Abschneiden der AfD und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) in den ostdeutschen Bundesländern hat tiefliegende Gründe. Warum haben Menschen gerade in diesen Regionen auch 35 Jahre nach dem Fall der Mauer nicht das Gefühl, dass Freiheit, Demokratie und die soziale Marktwirtschaft ihr Leben verbessert haben? Ich will dabei nicht allein auf wissenschaftliche Studien und Bücher vertrauen, sondern sehe die dringende Notwendigkeit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Unsere Demokratie ist wahrlich nicht perfekt, sie hat Defizite, aber allem voran überzeugende Stärken. Mit einer vier Kilometer langen Open-Air-Ausstellung feiert Berlin das 35. Jubiläum des Mauerfalls. Gezeigt wird ein Parcours aus 5.000 bemalten Demo-Schildern, die einen Bogen zwischen den Forderungen der Menschen von damals und heute spannen sollen. Das Motto lautet: „Haltet die Freiheit hoch“. Eine wunderbare Idee, die meines Erachtens eine Reise durch unser gesamtes Land machen sollte. Auch 35 Jahre nach dem Fall der Mauer können wir noch viel voneinander lernen.
Jüdisches Leben zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Weil die Angst zu groß ist. Schon das Tragen eines Davidsterns oder einer Kippa reicht aus, um Anfeindungen oder Angriffe zu riskieren; selbst Gespräche auf Hebräisch werden bewusst vermieden. Anti-Israel-Hetze, Hochschulbesetzungen, BDS-Kampagnen und jede Form von offenem Antisemitismus haben ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Nach langen Gesprächen konnten sich die Fraktionen der FDP, Grünen, CDU/CSU und SPD auf eine Resolution gegen Antisemitismus einigen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir hier viel schneller eine Einigung gefunden hätten. Umso wichtiger ist es, dass wir heute endlich darüber beraten. Wir müssen offen über Antisemitismus sprechen – auch über den, der von Menschen mit Migrationsgeschichte nach Deutschland getragen wird, auch über den, der in vermeintlich differenziertem Gewand daher kommt und sich auf die Meinungsfreiheit beruft. Wir müssen den Israel-Hass an unseren Hochschulen thematisieren und in besonders schweren Fällen auch Exmatrikulationen ermöglichen. Organisationen und Projekte, die Antisemitismus verbreiten, dürfen nicht länger gefördert werden. Die Resolution wird heute beraten und meine Erwartung ist, dass ihre enthaltenen Forderungen umgehend umgesetzt werden. Zeit haben wir keine zu verlieren. 📸: ich putze in jedem Jahr Stolpersteine. Am Wochenende werde ich das mit meinen Kindern machen.