Das Scheitern des Asyl-Gipfels - Zu gestern und der Zukunft 💭🖋️ Ehrlich gesagt: Ich bin vom Ausgang des gestrigen Migrationsgipfels enttäuscht. Ich hätte mir gewünscht, dass Koalition und Opposition, Bund und Länder bei diesem wichtigen Thema konstruktiv zueinander finden, über Differenzen sprechen und diese dann überwinden. Doch von Verantwortung zu sprechen ist immer leichter, wenn man nicht am Verhandlungstisch sitzt und tatsächlich Verantwortung übernehmen muss. Wer dann, wie die Union, nach zweieinhalb Stunden kurzerhand das Gespräch verlässt, kann zwar vor dem Bundesinnenministerium wieder von Verantwortung reden, entzieht sich jedoch genau dieser. Als Freie Demokraten haben wir klare rechtsstaatliche Vorstellungen von der Asyl- und Einwanderungspolitik in unserem Land. Diese Vorstellungen müssen im Einklang mit europäischem Recht und in engem Austausch mit unseren europäischen Partnern stehen. Zuständig für das Asylverfahren ist das Land, in dem die Menschen zuerst europäischen Boden betreten. In der Vergangenheit gab es vor allem an den Grenzen vieler osteuropäischer Länder massive Kritik, wenn sie ihren rechtlichen Verpflichtungen bei der Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen nicht nachkommen wollten. Seit Beginn dieser Wahlperiode haben wir mit den Koalitionspartnern über eine notwendige Veränderung der Gesetzeslage und realistische Maßnahmen gerungen. Wir beobachten die Entwicklungen an den Grenzen und in den Kommunen, wir hören die Stimmen von Experten sehr genau. Wir sehen die Zahlen, die keinen Abwärtstrend zeigen und gleichermaßen den mangelnden Vollzug geltender Gesetze in den Ländern mit Blick auf Abschiebungen. Wir wissen, dass unsere Koalitionspartner teilweise eine andere Sichtweise auf die Lage haben. Dass wir jetzt nach der Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen umfassende Maßnahmen vorlegen, ist das Ergebnis des entschlossenen Handelns von Bundesjustizminister Marco Buschmann und den Beratungen in unserer Fraktion. Wenn sich die Unionsfraktion jetzt hinstellt und scharfe Kritik übt, entzieht sie sich genau der Verantwortung, von der sie nur allzu gerne spricht. Fakt ist: Schon die bloße Ankündigung von sogenannten Pushbacks hat in Warschau und Wien für große Empörung gesorgt. Gerade weil unser östlicher Nachbar mit seiner EU-Außengrenze zu Belarus seit Monaten der russischen hybriden Kriegsführung ausgesetzt ist, bei der Migranten gezielt nach Europa geschleust werden, sollten wir jeden unnötigen Konflikt untereinander vermeiden. Die Union hat sich immer als verlässliche Rechtsstaatspartei definiert, vergisst aber jetzt ihren proeuropäischen Wertekanon. Wenn Fraktionsvize Spahn EU-Recht als „fast kafkaesk“ und „eine Fessel“ bezeichnet, verleugnet er nicht nur die Verantwortung seiner Partei in der Vergangenheit und an der Spitze der EU-Kommission, sondern auch die Grundfesten eines funktionierenden Europas. Für mich bedeutet Verantwortung: die Zahlen müssen sinken, die Kommunen brauchen Entlastung, Maßnahmen müssen einen Unterschied machen, Bundesländer müssen geltendes Recht durchsetzen. Zugleich müssen wir europarechtskonform handeln. Als Partei, die Europa im Herzen trägt, ist das maßgeblicher Teil unserer Verantwortung. Verantwortung zeigt sich in realer und rechtskonformer Politik. Die GEAS-Reform, das neue Einwanderungsrecht, die Verbesserungen bei der Rückführung sowie der Stopp von Asylleistungen für Straftäter sind ein umfassender Maßnahmenanfang. Für eine Fortsetzung wollen wir die Union, nicht zuletzt aufgrund ihrer Verantwortung in den Ländern, gerne dabeihaben. Christian Lindner hat es treffend formuliert: „Deutschland braucht Kontrolle und Konsequenz bei der Migration. Die Absage der Union an den Asylgipfel darf nicht das letzte Wort sein.“ Noch hat Friedrich Merz nicht auf die Einladung zur Verantwortungsübernahme in dieser Debatte geantwortet…
Feierstunden sollten freudige Anlässe sein, ein besonnener Rückblick auf vergangene Jahrzehnte, verbunden mit einem optimistischen Blick in die Zukunft. Die heutige Feierstunde, anlässlich der konstituierenden Sitzung des Deutschen Bundestages vor 75 Jahren, war zweifellos eine ganz besondere. Nicht nur aufgrund der starken und zutiefst nachdenklich stimmenden Reden des ehemaligen Innenministers Gerhart Baum und der Historikerin Christina Morina. Der Druck auf unsere parlamentarische Demokratie ist in diesen Zeiten enorm. Die größte Bedrohung für ein freies und weltoffenes Deutschland sitzt mittlerweile am rechten Rand unseres Plenums und gewinnt zunehmend Zuspruch bei vielen Bürgerinnen und Bürgern. Ob Klimawandel, Energiepolitik, Migration, Digitalisierung, demografischer Wandel oder globale Machtverschiebungen – die Unsicherheiten und Herausforderungen werden immer komplexer und drängender. All diese Themen beschäftigen mich als Parlamentarierin, Freie Demokratin und Bürgerin dieses Landes - jeden Tag. Es liegt an uns allen. Vor 75 Jahren waren es die Abgeordneten und die Menschen dieses Landes, die entschlossen und mutig begannen, aus den Trümmern der Diktatur eine überzeugte Demokratie im Herzen Europas zu formen. Eine freiheitliche Demokratie, die auch die Menschen hinter der Mauer für sich gewinnen konnte. Eine Demokratie, die heute ihre Herausforderungen hat und jeden Tag aufs Neue Überzeugungsarbeit leisten muss. Ich glaube an dieses Land und seine Menschen. Ich glaube an die Demokratie, die uns in diesen Zeiten mehr denn je braucht. Gerhart Baum hat es in seiner Rede treffend formuliert: „Die Deutschen haben bewiesen, dass sie Demokratie können. Jetzt müssen wir beweisen, dass wir sie verteidigen können.“ Im Anschluss an die Feierstunde gab es noch einen kurzen Moment für einen Austausch - über Familie, die parlamentarische Demokratie und die Zukunft.
Gyde Jensen ist hier: Deutscher Bundestag.