Gyde Jensen

125 Jahre Nord-Ostsee-Kanal: Endlich mehr investieren

Das Leben am Nord-Ostsee-Kanal prägt ganz Schleswig-Holstein. Nicht nur wirtschaftlich macht er den Norden zum Drehkreuz von West-, Ost- und Nordeuropa. Schon damals, als der Kanal auch auf Initiative von Kaufleuten in Hamburg und Schleswig-Holstein gebaut wurde, war er quasi ein europäisches Projekt: Rund 9000 Arbeiter aus sämtlichen Teilen des Kontinents waren am Bau beteiligt.

Jeder von uns im Norden verbindet die Wasserstraße mit ganz persönlichen Erinnerungen: Der SH Netz Cup, bei dem sich die besten Ruderer der Welt in Rendsburg messen. Oder als Jugendliche mit der Familie: Spaghetti Bolognese im Fährhaus, während der Ansager die passierenden Schiffe ausruft.

Doch ein Arbeitstier wie der Kiel Canal muss auch gepflegt werden. Jetzt, im stolzen Alter von 125 Jahren, werden die Alterserscheinungen immer deutlicher. Zuständig für seine Instandhaltung ist das Bundesverkehrsministerium. Im Oktober 2019 bescheinigte der Bundesrechnungshof dem Haus - das übrigens seit 2009 von CSU-Ministern geführt wird - einen eklatanten Investitionsstau bei Schleusen und Kanälen. Die dringend notwendige Reform der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ist auch unter Andreas Scheuer nicht zu erwarten. Momentan zahlen alle, deren berufliche Existenz am NOK hängt, dafür den Preis: Weil die Wasserstraße an mehreren Stellen notgeflickt wird, gehen die Durchfahrten zurück. Aktuell wird das noch durch den Pandemie-bedingten Rückgang der Warenströme verstärkt.

In Zeiten, in denen nationalistische und protektionistische Stimmen immer lauter werden, ist es umso wichtiger, dass wir hier in Schleswig-Holstein unsere weltoffene Tradition weiterhin pflegen. Wir wollen und wir werden enger mit Europa zusammenwachsen. Dazu müssen wir Verkehr und Logistik noch europäischer denken. Der Nord-Ostsee-Kanal war ein großer Schritt: Mit dem Fehmarnbelttunnel, dem längsten und tiefsten kombinierten Straßen- und Eisenbahntunnel der Welt, bauen wir im Norden gemeinsam mit unseren dänischen Nachbarn ein neues Infrastrukturprojekt der Superlative.

Übrigens: Ich finde, es gibt in Deutschland kaum einen anderen Ort, an dem man Fern- und Heimweh gleichzeitig so gut stillen kann, wie am Nord-Ostsee-Kanal. Ich werde deshalb den 125. Geburtstag in diesem Corona-Sommer einfach mal mit einer Radtour entlang der meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße der Welt feiern.

Dieser Gastbeitrag erschien zuerst in der Eckernförder Zeitung am 26. Juni 2020.