Gyde Jensen

Die Gemeinschaft zählt - während und nach Corona

Was für wunderschöne sonnige Tage haben wir bei uns hier im Norden: Normalerweise hätte ich schon mit Freunden in einem Café das erste Eis gegessen. In diesem Frühling 2020 ist aber alles anders als sonst. Ich bin jemand, der gerne und viel Kontakt zu anderen Menschen hat. Es interessiert mich, wie die Menschen um mich herum die Welt wahrnehmen und was sie beschäftigt. Ich führe solche Gespräche jetzt per Videocall oder auch live auf Instagram.

Natürlich gibt es Familienmitglieder, die ich seit Wochen nicht gesehen habe. Damit wir den Kontakt halten, telefonieren wir viel. Ich bin - und das mache ich mir immer wieder bewusst - in einer privilegierten Lage. Auch wir Abgeordneten haben viel zu tun, unsere Fraktionsmitarbeiter haben unzählige Überstunden gemacht, um die Maßnahmenvorschläge der Bundesregierung durchzuarbeiten und zu bewerten. Aber wir haben ein sicheres Einkommen und müssen für unsere Arbeit nicht unsere Gesundheit riskieren.

Wie bei vielen anderen, ist bei mir die Wertschätzung für all die Berufe gestiegen, die jetzt ganz besonders viel Verantwortung tragen: Mitarbeiter der Abfallwirtschaft, Kassiererinnen, Pflegekräfte, Ärztinnen, Lehrer, Paketzusteller, Kindergärtnerinnen und viele mehr.Was mich optimistisch stimmt, ist dieser Ideenreichtum, der momentan überall zu Tage tritt. Von einer Plattform zur Rekrutierung von Erntehelfern bis zu interaktiven Karten, auf denen lokale Läden und Betriebe auf kreative Weise ihre Ware anbieten. Und manchmal gibt auch ein Blick in die Vergangenheit die zündende Idee: Ich liebe es, ins Kino zu gehen. Momentan gibt es so viele Anträge auf Frequenzen für Autokinos wie noch nie. Vielleicht eröffnet auch bei uns bald eines!

Mir fällt auf, dass wir den Wert unserer Gemeinschaft neu entdecken und bewusster erleben: von der Einkaufshilfe für die Nachbarn bis zur Überlegung, mal nicht selbst Nudeln zu kochen, sondern stattdessen beim Lieblingsrestaurant eine Portion zu bestellen, weil es momentan auf den Umsatz angewiesen ist. Die Warnungen, dass in dieser Situation Frauen und Kinder vermehrt durch häusliche Gewalt gefährdet sind, lassen uns vielleicht etwas aufmerksamer auf unsere Mitmenschen achten. Dieser Zusammenhalt ist die Grundlage dafür, dass wir uns in dieser globalisierten Welt, die uns so viel Wohlstand gebracht hat, geborgen und geerdet fühlen. Ich wünsche mir, dass wir uns dieses Gefühl auch nach der Krise erhalten.

Dieser Gastbeitrag erschien am 22. April 2020 in der Eckernförder Zeitung. Hier geht es zur Online-Variante auf shz.de.