Gastbeitrag: Europa der Bürger
Europa ist nicht nur irgendein Zukunftsplan. Europa ist eine Idee, ein Eckpfeiler einer gemeinsamen Erinnerungskultur nach den Schrecken des Nationalsozialismus und eine Gemeinschaft liberaler Werte – nicht nur auf diesem Kontinent, sondern weltweit. Jede europäische Zukunft ist daher zugleich immer eine Renaissance, ein Neubeginn und Auftrag, Europa an aktuellen Herausforderungen zu messen und weiterzuentwickeln.
„Renaissance“. Das ist auch die Kampagne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Nicht umsonst. Denn die Neuerfindung der EU liegt im politischen Herzen unseres Kontinents. Dort, wo über 400 Millionen Menschen in dieser Woche die Möglichkeit besitzen über ihre Zukunft und die folgender Generationen mitzuentscheiden. Das neue Europa, das ist ein Europa der Bürger.
Ich bin fest davon überzeugt: Europas Zukunft entscheidet sich nicht nur in Brüssel. Europas Zukunft entscheidet sich auch in seinen starken Regionen. Regionen, die wirtschaftlich erfolgreich sind, die Vielfalt als Stärke begreifen und die den Austausch über Grenzen hinweg vorleben – die aber auch vor den großen politischen Lebensrisiken geschützt werden müssen.
Dafür braucht es eine neue, gemeinsame Strategie und kein „weiter so“ einer visionslosen Großen Koalition – sowohl in Deutschland als auch in Brüssel. Deutschland darf die Ideen eines Emmanuel Macron nicht weiter ignorieren und müde weglächeln. Der einzige Staatschef, der sich überhaupt bemüht, die Regale im alten Laden mit neuen Vorschlägen zu beleben.
Ich möchte in einer Europäischen Union leben, auf die wir alle stolz sein können. Ein Europa, das die großen Herausforderungen für seine Menschen annimmt. Ein Europa, das beim Klimaschutz vorangeht, das bei der Digitalisierung genauso viel investiert wie globale, ethische Regeln setzt, das für eine europäische Gründungskonvention eintritt und an seinen Außengrenzen Humanität als die beste Sicherheitspolitik begreift.
Die Gelegenheit, Brüsseler Strukturen neu aufzubrechen, Stillstand mit neuen Mehrheiten zu vermeiden und mit der stärksten liberalen Fraktion als positive Mutmacher Europas Chancen zu nutzen, ist so groß wie nie zuvor. Ergreifen wir sie.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 23.5.19 im SHZ.