Gyde Jensen

Interview: Wir müssen Pekings Verbrechen gegen die Menschlichkeit viel lauter verurteilen

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen gab „welt.de“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Daniel Friedrich Sturm.

Frage: Die IPAC-Abschlusserklärung kritisiert die Regierung Chinas, benennt die Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren, fordert mehr Unterstützung für Taiwan und weniger Abhängigkeit bei Lieferketten mit China. Was ist Ihr Fazit der Tagung?

Jensen: IPAC ist ein Zusammenschluss von Parlamentariern aus 30 Nationen, die Gruppe gibt es gerade einmal seit zwei Jahren. Wir setzen uns für die Rechte der verfolgten Minderheit der Uiguren ein – viele meiner Kollegen tun das schon seit sehr langer Zeit. Wir wissen heute, dank journalistischer Recherchen: die Internierungslager der chinesischen Regierung, in denen Uiguren gefangen gehalten werden, sind eine grausame Realität. Der Bericht der ehemaligen UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, hat diese Realität noch einmal offiziell festgestellt. Wir wollen, müssen und werden die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Peking in Xinjiang begeht, noch viel lauter als bisher öffentlich verurteilen.

Frage: Wie steht es um Taiwan?

Jensen: Wir äußern unsere Solidarität mit Taiwan, das von Chinas zunehmend aggressiver Politik bedroht wird. Drei Abgeordnete aus Taiwan waren bei unserer Konferenz präsent. Deren Berichte waren sehr aufschlussreich.

Frage: Was sind Ihre Erkenntnisse aus den Gesprächen mit Parlamentariern anderer Länder?

Jensen: Wir alle erleben, dass die Kommunistische Partei Chinas mit einem Muster in allen Teilnehmerländern vorgeht: Sie versucht, die Arbeit der frei gewählten Parlamente, auch des Bundestages, zu beeinflussen. Eher zufällig stellten diverse Kollegen und ich fest, dass wir allerhand böse Briefe zu unseren China-kritischen Stellungnahmen erhalten. Wir haben uns darüber ausgetauscht, wie wir dagegen vorgehen. Neben Taiwan erleben die Kollegen in Australien und Japan besonders heftigen Druck aus Peking – und natürlich die aus Litauen, wo Taiwan ja jüngst eine Vertretung eröffnet hat.

Frage: Die internationale Debatte dreht sich derzeit um den russischen Krieg gegen die Ukraine. Sorgt Sie, dass Chinas Machtgebaren da zu wenig wahrgenommen wird?

Jensen: Das Beispiel Russland lehrt uns doch, schon jetzt zu überlegen, wie wir mit einer Aggression Pekings gegen Taiwan umgehen wollen. Wir müssen besser vorbereitet sein als im Falle von Russlands Ukraine-Krieg. Politik ist für das Tagesgeschäft zuständig, aber muss auch lange Linien sehen und sich darauf einstellen. Wir müssen Chinas Strategie, andere Länder abhängig zu machen, um sich dann gegen sie zu richten, schleunigst durchbrechen. Ein Beispiel: Es kann nicht sein, dass China Infrastruktur in westlichen Ländern aufkauft.

Frage: Rushan Abbas, Gründerin der „Kampagne für Uiguren“, in den USA hat neulich im WELT-Interview Deutschland dazu aufgefordert, die Zwangsarbeit in deutschen Unternehmen in China zu beenden. Was sagen Sie dazu und zu dem Ruf, jeden Handel mit China einzustellen?

Jensen: Es ist unrealistisch, den Handel mit China einfach abzubrechen. Das funktioniert nicht und sollte auch nicht unser Ziel sein. Die EU bringt gerade eine Richtlinie auf den Weg, die Zwangsarbeit für Produkte, die in die EU importiert werden, verbietet. Jedes Unternehmen trägt Verantwortung, dass es nicht von Zwangsarbeit profitiert.

Frage: Verschließen Konzerne wie VW oder Siemens die Augen vor der brutalen Realität in China?

Jensen: Einige spielen hier Naivität vor, tun so, als sei alles in Ordnung. Ich halte das für keine kluge Strategie. Denn es gibt auch aus unternehmerischer Sicht sehr gute Gründe weniger auf China zu setzen, andere Märkte zu erschließen. Denken Sie etwa an Malaysia. Wann war eigentlich ein deutscher Wirtschaftsminister mal dort?

Frage: Was erwarten Sie von der China-Strategie, die Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angekündigt hat?

Jensen: Ich habe sehr hohe Erwartungen an diese Strategie von Frau Baerbock. Sie muss alle Politikbereiche umfassen: Auswärtiges, Bildung, Wissenschaft, Umwelt. Wir brauchen endlich eine zeitgemäße Strategie im Umgang mit China.

Frage: Welcher Verantwortung hat der deutsche Bürger und Verbraucher? Der demonstriert für und gegen alles, aber nicht für Menschenrechte in China – und er kauft fleißig iPhones und T-Shirts aus China.

Jensen: Je mehr wir über Chinas Menschenrechtsverletzungen und sein zunehmend aggressives Gebaren reden, desto besser. China bricht Völkerrecht. Wir sollten selbstbewusst sagen, was Sache ist: Die Abhängigkeit von China ist nämlich keine Einbahnstraße. Was mich umtreibt, ist Chinas Macht im Hinblick auf Seltene Erden. Hier sollten wir dringend mehr auf demokratische Länder wie Australien setzen.

Frage: Warum waren Sie die einzige deutsche Abgeordnete bei der IPAC-Konferenz?

Jensen: Ich hoffe, dass sich noch mehr Kollegen auch aus anderen Fraktionen der IPAC anschließen. Beim nächsten Mal sind wir hoffentlich mehr.