Laudatio für den Right Livelihood Award
Wir sind heute hier, um zwei ganz besondere Menschen für ihr Engagement gegen Korruption und Machtmissbrauch zu würdigen. Der Right Livelihood Award zeichnet diejenigen aus, die sich für die Gestaltung einer besseren Welt einsetzen. Thelma Aldana kämpft für ein besseres Guatemala, für den Aufbau einer echten Demokratie und ein unabhängiges und starkes Rechtssystem.
Thelma Aldana wurde 1955 geboren. Sie wurde damals in eine Welt hineingeboren, in der nur wenige Jahre später der guatemaltekische Bürgerkrieg begann. Die nächsten drei Jahrzehnte sollten geprägt sein von massiven Menschenrechtsverletzungen, gewaltsamer Unterdrückung und Straffreiheit. Vielleicht entschied sich Thelma Aldana gerade deshalb für den so wichtigen Kampf für Gerechtigkeit. Diesen begann sie mit einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universidad de San Carlos, was sie 1982 abschloss. Bis sie 2009 Mitglied des Obersten Gerichtshofes Guatemalas wurde und ihn von 2011 bis 2012 leitete, arbeitete sie als Juristin und Notarin.
Heute kämpft Thelma Aldana für Rechtsstaatlichkeit: Für Frauen, für Minderheiten, für Indigene, für alle Bürger. Oder um es in Thelma Aldanas Worten zu sagen: Sie kämpfte ihr Leben lang gegen alles, was korrupt ist. Und ihre Siege können sich sehen lassen: Erst 2017 wurde sie vom Times Magazine zu einer der einflussreichsten Personen der Welt benannt. Und es war ihre Arbeit als Generalstaatsanwältin zusammen mit dem CICIG (Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala: Internationale Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala), die 2015 die korrupten Verwicklungen des damaligen Präsidenten Molina aufdeckten und dessen Rücktritt und Verhaftung zur Folge hatte. Thelma Aldana war 2014 durch ihn zur Generalstaatsanwältin ernannt worden. Sie war es, die den Haftbefehl gegen ihn ausstellte.
Neben der Korruptionsbekämpfung hat sie auch wichtige Fälle der Übergangsjustiz angeschoben, zum Beispiel den Fall Sepur Zarco. Frauen einer Maya Q’eqchi Gemeinde hatten die während des Bürgerkrieges erlebten Vergewaltigungen angezeigt. Mit dem folgenden Prozess wurden diese Vergewaltigungen erstmals in Guatemala als bewusste Strategie des Staates zur Unterdrückung des Aufstandes strafrechtlich verfolgt. Für die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen war dieser Prozess einer der ganz wichtigen, mit historisch bedeutungsvollem Urteil. Die beschuldigten Militärangehörigen wurden im Februar 2016 zu insgesamt 360 Jahren Gefängnis verurteilt. Schuldig gesprochen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gewaltsamen Verschwinden Lassens und mehrfachen Mordes. Guatemala schaffte mit diesem Urteilsspruch einen Präzedenzfall in der juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Erstmals wurde sexuelle Sklaverei während eines Bürgerkrieges vor einem nationalen Gericht verhandelt und verurteilt.
Thelma Aldana bewertete das Urteil als wegweisend für das Land Guatemala, in dem sie sagte: „Ein Volk, das seine Geschichte nicht kennt, ist dazu verdammt sie zu wiederholen. Möge es nie wieder einen internen bewaffneten Konflikt in der Geschichte Guatemalas geben. Aber sollte es dazu kommen, müssen alle wissen, dass guatemaltekische Frauen keine Kriegsbeute sind. Vergewaltigungen, sexuelle Sklaverei werden bestraft werden. Das ist die Botschaft dieses Urteils. Und es ist das erste Urteil weltweit. Dieses Urteil gilt also nicht nur für Guatemala, sondern weltweit. Frauen sind keine Kriegsbeute.“
Die Bilanz nach vier gemeinsamen Jahren der Arbeit zwischen Iván Velásquez und Thelma Aldana ist beeindruckend: Sie deckten mehr als 60 kriminelle Netzwerke auf, ihre Arbeit veranlasste unzählige Verhaftungen und führte mittlerweile zu 310 Verurteilungen. Darüber hinaus haben sie 34 Gesetzesreformen auf den Weg gebracht, wichtige Schritte für den Aufbau einer unabhängigen Justiz in einem funktionierenden Rechtsstaat.
Der Kampf für Gerechtigkeit ist ein steiniger Weg, gesät mit vielen Opfern. Thelma Aldanas Engagement hat ihren persönlichen und familiären Gestaltungsspielraum verändert. Sie kann sich in Guatemala nicht ohne Personenschutz bewegen, dazu kommen Hassbotschaften in sozialen Netzwerken. Doch trotz dieser Bedrohungen und Einschränkungen hat sie nie daran gezweifelt diese Arbeit weiterzuführen. So sagt sie selbst, dass sie für ihre Kinder und auch für die guatemaltekische Bevölkerung ein anderes Land will. Die wenigen Male, die sie noch öffentlich ausgeht, kommen Leute auf sie zu und zeigen ihre Hoffnung, weil sich Guatemala verändert. Das motiviert sie.
So arbeitet Thelma Aldana unermüdlich weiter: Bedächtig, aber konsequent in allem, was sie tut. Korruption war Teil der Kultur Guatemalas. Aber sie stellte die Weichen für eine kulturelle Veränderung, die bleiben wird. Und daher freuen wir uns sehr, dass ihr Engagement für Guatemala mit dem Right Livelihood Award geehrt wird.
Die Rede wurde zuerst am 27.11.18 auf der Preisverleihung zum Rights Livelihood Award in Berlin gehalten.