Laudatio für den Right Livelihood Award
Wir würdigen heute als eine der Preisträgerinnen des diesjährigen Right Livelihood Awards, Aminatou Haidar, für ihr unermüdliches Engagement gegen Unterdrückung und Machtmissbrauch. Der Right Livelihood Award zeichnet nun seit 40 Jahren diejenigen aus, die sich für die Gestaltung einer besseren Welt einsetzen. Aminatou Haidar setzt sich für so eine bessere Welt ein - mit ihrem friedlichen Kampf für die Unabhängigkeit und die Einhaltung der Menschenrechte in der Westsahara.
Aminatou Haidar wurde 1967 in El Ayoun geboren, als ihre Heimat, die Westsahara, noch eine spanische Kolonie war. Sie ist in turbulenten Zeiten aufgewachsen, in Zeiten, in denen die Zukunft ihres Landes ungewiss war – und das ist sie bis heute. Unmittelbar nach dem Rückzug Spaniens beanspruchten Marokko und Mauretanien Teile der Westsahara für sich. Bis zur Waffenruhe von 1991 herrschte ein blutiger Bürgerkrieg. Seit 1991 warten die Sahauris, die zum Teil in den von Marokko besetzten Gebieten, zum Teil in Flüchtlingslagern in Algerien leben, auf das versprochene Referendum über die Unabhängigkeit oder Zugehörigkeit zu Marokko. Der Westsaharakonflikt dauert nun schon mehr als 40 Jahre und ist doch einer der Konflikte, der international viel zu wenig Aufmerksamkeit erhält.
Im Alter von nur 20 Jahren wurde Haidar nach der Teilnahme an einer friedlichen Demonstration gegen die marokkanische Besatzung in ein geheimes Gefängnis verschleppt. Vier Jahre lang wurde sie dort festgehalten. Vier Jahre lang wussten weder ihre Familie und Freunde noch sie, wo genau sie sich befand. Vier Jahre lang war sie täglich Opfer von Misshandlung und Folter.
Nach ihrer Freilassung war ihr Wille jedoch stärker denn je. Unablässig setzte sie sich für die Freilassung anderer sahaurischer politischer Gefangener ein, dokumentierte Menschenrechtsverletzungen und versuchte, auf den Missbrauch der Besatzungsmacht aufmerksam zu machen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Die marokkanischen Behörden reagierten mit weiteren Festnahmen und Misshandlungen.
Internationale Bekanntheit erlangte Aminatou Haidar durch ihren Hungerstreik am Flughafen von Lanzarote 2009. Nachdem ihr die Einreise in die Westsahara verwehrt wurde, wurde sie auf die kanarischen Inseln abgeschoben, wo man ihr wiederum die Rücksendung in die Westsahara verweigerte. Daraufhin trat Haidar für einen Monat in einen Hungerstreik, der weltweit Aufmerksamkeit erweckte. Durch den wachsenden politischen Druck erlaubten ihr die marokkanischen Behörden nach 32 Tagen Hungerstreik die Rückreise in die Westsahara.
Aminatou Haidar hat für ihre Heimat viele Opfer erbracht. Ihre Gesundheit leidet unter den Folgen der schlechten Haftbedingungen, der Folter und den zahlreichen Hungerstreiks. Sie, ihre Familie und ihr Zuhause werden immer wieder angegriffen.
Es erfordert viel Mut, Willensstärke und Entschlossenheit, solchen Repressalien nicht nachzugeben oder aber sich mit Gewalt zur Wehr zu setzen. Aminatou Haidar ist in ihrem Kampf gegen die Besatzung und die Menschenrechtsverletzungen nicht nur selbst immer friedlich geblieben, sondern setzt sich beharrlich dafür ein, dass andere ihrem Beispiel folgen.
Sie ist Mitbegründerin und Präsidentin des Collective of Sahrawi Human Rights Defenders. Die Gemeinschaft dokumentiert nicht nur Menschenrechtsverletzungen und bietet rechtliche Unterstützung zum Einreichen von Beschwerden an, sondern bringt Jugendlichen auch verschiedene Formen des friedlichen Protests bei. Denn nach mehr als 40 Jahren der marokkanischen Besatzung drohen immer mehr Jugendliche den Glauben an den Erfolg eines friedlichen Kampfes für die Unabhängigkeit der Westsahara zu verlieren. Aminatou Haidar ist mit dem Krieg in ihrer Heimat aufgewachsen. Sie hat die Konsequenzen am eigenen Leib gespürt. Deswegen setzt sie sich so unermüdlich dafür ein, dass der Protest der Sahauris weiterhin friedlich bleibt und kein neuer Krieg ausbricht.
Wegen ihres ausschließlich friedlichen Protests hat Haidar mittlerweile den Spitznamen „Sahraoui Gandhi“ erhalten. Gerade in Zeiten weltweiter Proteste ist sie eine Inspiration und ein Vorbild für alle, die an die Macht gewaltfreier Demonstrationen glauben. Daher freue ich mich sehr, dass ihr friedliches Engagement mit dem Right Livelihood Award geehrt wird.
Die Laudatio wurde zuerst am 25.11.19 auf der Preisverleihung zum Rights Livelihood Award in Berlin gehalten.