Gyde Jensen

Persönliche Erklärung zur Abstimmung über zwei Anträge zur Situation in Moria

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Gyde Jensen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Peter Heidt, Ulrich Lechte und weiteren Abgeordneten nach § 31 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat zu dem Antrag der Fraktion Die Linke „Konsequenzen zu dem Brand in Moria ziehen - Lager auf den griechischen Inseln auflösen und Geflüchtete in Deutschland aufnehmen“ (Drucksache 19/22264) sowie zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Nach dem Brand von Moria - Für schnelle Nothilfe und einen menschenrechtsbasierten Neustart der Europäischen Flüchtlingspolitik“ (Drucksache 19/22679):

Die derzeitige Situation an der EU-Außengrenze und besonders auf den ägäischen Inseln wird dem Anspruch der Europäischen Union und Deutschlands an rechtsstaatliche Asylverfahren sowie an eine menschenwürdige Unterbringung von Schutzsuchenden nicht gerecht. Dabei steht insbesondere die Einrichtung Moria auf der Insel Lesbos als Symbol für eine Art der Organisation von Asylverfahren und Unterbringung von Schutzsuchenden, die europäischen Standards nicht entspricht. Seit vielen Monaten und Jahren ist die Situation in Moria unerträglich.

Wir begrüßen, dass die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anerkannte Flüchtlinge aus Moria aufnehmen will. Die Europäische Union macht sich unglaubwürdig, wenn sie einerseits immer wieder vorschlägt, anerkannte Flüchtlinge auf Mitgliedstaaten zu verteilen, aber andererseits nicht in der Lage ist, anerkannte Flüchtlinge aus Moria zu verteilen. Aus diesem Grund ist die Aufnahme der entsprechenden Personen der richtige Schritt. Vor dem Hintergrund der besonders gefährlichen Situation auf Lesbos muss auch die Aufnahme besonders vulnerabler Personengruppen, wie etwa Minderjähriger, weitergehen. Alle weiteren Schutzsuchenden, die sich heute auf den griechischen Inseln befinden und die nach der Prüfung ihres Antrags eine Bleibeperspektive haben, sollten einmalig und schnell innerhalb der EU auf die aufnahmebereiten Mitgliedstaaten verteilt werden.

Einzelne Kommunen und Länder haben in den vergangenen Wochen immer wieder Aufnahmeangebote hinsichtlich einzelner Kontingente unterbreitet. Das kommunale Engagement für geflüchtete Menschen ist zu respektieren. Die Kommunen leisten bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. Gleichwohl wird die Entscheidung über ein funktionierendes gemeinsames europäisches Asylsystem nicht in einzelnen Kommunen, sondern durch die Bundesregierung und durch die Mitgliedstaaten der Europäische Union getroffen. 

Der Bundesinnenminister ist aufgerufen, sowohl im Verhältnis zu den Ländern als auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäische Union für eine hinreichende Koordination zu sorgen. Horst Seehofer wird gegenüber aufnahmebereiten Ländern und Kommunen seiner Verantwortung nicht gerecht. Ein Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen sollte die unterschiedlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten klären. Auf europäischer Ebene hat die Bundesregierung derzeit im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft eine besondere Rolle. Die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems ist bisher nicht in hinreichender Weise Schwerpunkt der EU-Ratspräsidentschaft. Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission müssen sich verstärkt für eine bessere Koordination und Zusammenarbeit zwischen Griechenland und der Türkei einsetzen. In diesem Zusammenhang muss auch die EU-Türkei-Erklärung aus dem Jahr 2016 überarbeitet und neu aufgelegt werden.

Im vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Nach dem Brand von Moria - Für schnelle Nothilfe und einen menschenrechtsbasierten Neustart der Europäischen Flüchtlingspolitik“ (Drucksache 19/22679) soll den Ländern ermöglicht werden, eigene Aufnahmeprogramme durchzuführen. Das ist der falsche Weg. Die Aufnahme von Schutzsuchenden sollte durch den Bund erfolgen, der die Menschen sodann im Einvernehmen mit den Ländern verteilt. Ferner soll gänzlich ausgeschlossen werden, dass Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen stattfinden. Auch das ist der falsche Weg. Das Problem von Einrichtungen wie Moria ist nicht, dass dort Anerkennungsverfahren durchgeführt werden. Das Problem ist, dass diese Einrichtungen unter katastrophalen Bedingungen geführt werden und dass sie nicht in ein funktionierendes gemeinsames europäisches Asylsystem eingebunden sind. Aus diesen Gründen können wir dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen nicht zustimmen. Weil wir aber die Dringlichkeit und die Intention insbesondere im Hinblick auf einzelne Forderungen begrüßen, etwa die konkreten Vorschläge hinsichtlich einer menschenwürdigen Unterbringung und Registrierung in den Lagern vor Ort sowie einer größeren Verantwortung der EU und aller Mitgliedsstaaten für die Aufnahmelager und Registrierungsstellen an den EU-Außengrenzen, können wir diesen Antrag nicht ablehnen und werden uns enthalten.

Im vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke „Konsequenzen zu dem Brand in Moria ziehen - Lager auf den griechischen Inseln auflösen und Geflüchtete in Deutschland aufnehmen“ (Drucksache 19/22264) wird neben einer Aufnahme bestimmter Personengruppen die Abschaffung des gesamten Hotspot-Systems gefordert. Das ist der falsche Weg. Es darf in der Europäischen Union nicht zu einer unkontrollierten Weiterreise von Personen kommen, deren Identität oder deren Asyl-Status ungeklärt ist. Deswegen ist es richtig, wenn die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten eine Identifikation und möglichst auch ein Asylverfahren an der europäischen Außengrenze durchführen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass die offenen Binnengrenzen in der Europäische Union sowie die Akzeptanz für das Asylrecht in der europäischen Bevölkerung erhalten bleiben. Deswegen stimmen wir der ablehnenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Heimat zum Antrag der Fraktion Die Linke zu.

 

Gyde Jensen

Marie-Agnes Strack-Zimmermann

Peter Heidt

Ulrich Lechte