Persönliche Gedanken nach dem Terror von Wien
Ein homosexuelles Paar in Dresden. Der Lehrer Samuel Paty, der im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine seinen Schülern beibrachte, was Meinungsfreiheit bedeutet, dass sie manchmal wehtut, manchmal schwer zu ertragen ist. Eine betende Frau und der Küster der Kirche Notre-Dame in Nizza, dazu eine Mutter von zwei Kindern. Und jetzt: Wiener, die den letzten Abend vor dem neuerlichen Lockdown gemeinsam mit Freunden verbringen wollten – möglicherweise hatten es die Attentäter auch auf die Synagoge abgesehen. Diese islamistischen Attacken sind ein Anschlag auf unsere Art zu leben, sie lassen uns nicht unberührt, sie machen fassungslos, sie machen Angst und sie machen wütend.
Die unterschiedlichen Hintergründe der Täter zeigen aber auch mal wieder: Für einfachste, populistische Forderungen aus der rechten Ecke ist dieses Problem viel zu komplex. Im Gegenteil: Mit ihren reflexhaften Ausgrenzungen und Pauschalisierungen spielen sie genau die Rolle, die ihnen islamistische Terroristen in ihrem Drehbuch zuschreiben: Gemäßigte Muslime werden von westlichen Gesellschaften im Anschluss an Angriffe systematisch ausgegrenzt und sollen – so die Strategie – empfänglicher werden für radikale Ideen.
Es braucht einen Mix aus Lösungen: Deradikalisierungsstrategien und gezielte Jugend- und Sozialarbeit - hierbei sind wir vor allem auch auf die Unterstützung unserer muslimischen MitbürgerInnen, Islamexperten und vor allem auch muslimischer Institutionen hierzulande angewiesen sind. Dazu gehört aber auch, dass wir ihnen ernsthaft zuhören, wenn sie sich in der Debatte zu Wort melden und sie nicht von rechts politisch instrumentalisieren oder als Verräter an der muslimischen Community (beliebter Vorwurf von links) verunglimpfen lassen. Es gab und gibt Versäumnisse in Sicherheitsbehörden, die dringend aufgearbeitet werden müssen. Dazu gehört etwa eine bessere Überwachung von Gefährdern, eine Bündelung der Verfassungsschutzbehörden in Deutschland zu einem gemeinsamen Terrorabwehrzentrum und eine bessere Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten. Und natürlich gehören auch konsequente Abschiebungen dazu, unter Geltung aller Bedingungen, die unser Rechtsstaat vorsieht. Wir müssen auf europäischer Ebene ganz eng zusammenarbeiten und vor allem eine offene Debatte führen, die auf einer ehrlichen Evaluation von Maßnahmen basiert. Das ist die Antwort einer freien, aufgeklärten Gesellschaft auf eine systematische Bedrohung wie diese: Wir analysieren die Lösungen, die uns zur Verfügung stehen und setzen sie entsprechend ein.
Die Strategie jedoch, die am stabilsten, am langfristigsten ist und an der jeder von uns mitwirken kann, ist die, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen. Islamisten und Rechte (aber auch Machthaber, die solche Eskalationen auch durch ihre Worte zumindest billigend in Kauf nehmen oder zum Teil sogar fördern - auch dagegen braucht es Maßnahmen, etwa personenbezogene Sanktionen) wollen Kapital und Macht schlagen aus den Konfliktlinien, die sie in unseren offenen westlichen Gesellschaften aufreißen: Zwischen Muslimen und Christen, zwischen Einwanderern und dort Geborenen, zwischen Frauen und Männern, usw.
Wir müssen ganz klar sagen: Die Konfliktlinie ist eine andere: Es gibt diejenigen, die sich Frieden wünschen, die fest überzeugt sind, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind – völlig egal, wo sie leben, woran sie glauben, welches Geschlecht sie haben, wen sie lieben oder welche Meinung sie vertreten. Und es gibt diejenigen, die in ihrem Hass zerfressen oder aus reinem Kalkül all die Menschen auslöschen oder unterwerfen wollen, die in ihren Augen zu frei sind, die minderwertig sind, die man deshalb entwürdigen und ihrer Rechte berauben kann. Das werden wir nicht zulassen.
Ich bin froh und dankbar, dass wir als FDP-Fraktion im Bundestag mit Konstantin Kuhle, Benjamin Strasser, Stephan Thomae und vielen mehr Fachkollegen haben, die für die Freien Demokraten mit einer so ausgewogenen und überlegten Stimme sprechen.